Generation der heimlichen Revolutionäre

Klaus Hurrelmann über Veränderungen in Bildung und Arbeitswelt

Ful­da­er Zei­tung 01.10.2016: Als Sozio­lo­ge, der sich mit Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung beschäf­tigt, ist Prof. Dr. Klaus Hur­rel­mann gut dar­in, Gesell­schaft zu ana­ly­sie­ren. Auch er sprach anläss­lich der Fach­schul­ta­ge vor den Stu­die­ren­den in der Ferdinand-Braun-Schule.

Der Vor­trag von Jugend­for­scher Klaus Hur­rel­mann soll­te die jun­gen Men­schen anre­gen, ihre eige­ne Posi­ti­on in der Gesell­schaft zu fin­den. Hur­rel­mann weiß um die heu­ti­ge Gene­ra­ti­on – sowie um die vor­he­ri­gen – und wie sie Bil­dung und Arbeits­welt prägt.

Was macht die Gene­ra­ti­on von heu­te aus?
Sie wird als ers­te Gene­ra­ti­on über­haupt digi­tal groß. Sämt­li­che Gerä­te, Pro­gram­me und Netz­wer­ke sind selbst­ver­ständ­lich. Das macht sie inter­na­tio­nal und tech­nisch geschickt – aber auch auf gewis­se Wei­se ver­letz­lich, weil alle Publi­ka­tio­nen über Ter­ror­an­schlä­ge direkt von den Medi­en auf­ge­nom­men und ver­ar­bei­tet werden.

Inwie­fern krem­pelt Gene­ra­ti­on Y damit die Bil­dung um?
Hier kom­men wir zu einer zwei­ten wich­ti­gen Erkennt­nis: Die um die 2O-Jäh­ri­gen sind in Zei­ten groß gewor­den, in denen es nicht selbst­ver­ständ­lich war, einen Aus­bil­dungs­platz zu bekom­men. Ent­spre­chend haben sie stark in Bil­dung inves­tiert. Sie haben sich höhe­re Zie­le gesetzt. Man kann tat­säch­lich von einer bil­dungs­mo­ti­vier­ten Gene­ra­ti­on spre­chen. Dabei sind sie kei­nes­wegs arro­gant, eher suchen sie nach ihrer per­sön­li­chen Erfül­lung. Was sie tun, soll Spaß machen und gera­de in unsi­che­ren Zei­ten wie jetzt Sicher­heit geben. Geld spielt nur eine unter­ge­ord­ne­te Rolle.

Inwie­fern wir­ken sie sich die die Arbeits­welt aus?
In der Arbeits­welt ange­kom­men, drän­gen jun­ge Leu­te – so ist zumin­dest die Ten­denz in den Unter­neh­men – auf gute Arbeits­zei­ten und ein unkom­pli­zier­tes Ver­hält­nis zum Chef, weil sie öfter per­sön­li­che Rück­mel­dung haben möch­ten. Sie leh­nen star­ke Hier­ar­chien ab, sind pro­jekt- und team­ori­en­tiert. Die Frau­en unter ihnen ver­su­chen außer­dem viel mehr, ihr per­sön­li­ches und ihr Berufs­le­ben inein­an­der über­ge­hen zu las­sen. Was sie for­dern ist für vie­le Unter­neh­men revo­lu­tio­när. Damit mischen sie die Betriebs­at­mo­sphä­re ganz schön auf, sind unauf­fäl­li­ge Sys­tem­ver­än­de­rer. Denn wenn sie mit etwas nicht zufrie­den sind, neh­men sie das nicht so hin.

Was sind die Folgen?
Betriebs­in­tern kann es so natür­lich zu Gene­ra­ti­ons­kon­flik­ten kom­men. Die Älte­ren emp­fin­den ihre Umstruk­tu­rie­rung oft als Anma­ßung, dabei ist die Gene­ra­ti­on Y mit ihren jun­gen, sozia­len Kom­pe­ten­zen Antrei­ber von Refor­men. Im Hin­blick auf die Arbeits­welt sehe ich die Ent­wick­lung sehr posi­tiv. Die Mehr­heit der jun­gen Leu­te will Abitur machen, das sind fast 55 Pro­zent. Damit ist der Wert hoch wie noch nie. Aber auch Fach­hoch­schu­len und Dua­le Hoch­schu­len wer­den an Bedeu­tung gewin­nen, denn sie bie­ten Pra­xis und Theo­rie unter einem Dach.

Text: Jose­phin Chilinski
Foto: Chris­toph Grosse