ZitierÂter Beginn der StuÂdie BERUFSBILD STAATLICH GEPRÃœFTER TECHNIKER/INNEN IM ÖFFENTLICHEN DIENST der Hans-BöckÂler-StifÂtung aus dem Jahr 2016
»1.1 ArbeitsÂmarktÂsiÂtuaÂtiÂon und Gehaltsunterschiede
Die deutÂsche WirtÂschaft im AllÂgeÂmeiÂnen und der ÖffentÂliÂche Dienst im BesonÂdeÂren werÂden sich in den nächsÂten JahÂren auf eine ArbeitsÂmarktÂsiÂtuaÂtiÂon einÂzuÂstelÂlen haben, in der die RekruÂtieÂrung von gut ausÂgeÂbilÂdeÂten FachÂkräfÂten und TechÂniÂkern bzw. TechÂniÂkeÂrinÂnen drasÂtisch schwieÂriÂger werÂden wird. DieÂse EntÂwickÂlung hat vorÂderÂgrünÂdig nicht unbeÂdingt etwas mit den ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen im ÖffentÂliÂchen Dienst zu tun, sonÂdern ist eine FolÂge des demoÂgraÂfiÂschen WanÂdels. Eine quanÂtiÂtaÂtiÂve KnappÂheit auf der AngeÂbotsÂseiÂte trifft mit erhöhÂtem NachÂfolÂger- und ErsatzÂbeÂdarf auf der NachÂfraÂgeÂseiÂte zusamÂmen. Es dürfÂte eine TechÂniÂkerÂknappÂheit einÂtreÂten, die einen wichÂtiÂgen Teil der öffentÂliÂchen DienstÂleisÂtunÂgen für die GesellÂschaft in MitÂleiÂdenÂschaft zu zieÂhen droht, weil »öffentÂliÂche Güter als BauÂsteiÂne einer lebenÂdiÂgen DemoÂkraÂtie« (Vogel 2015) evenÂtuÂell nicht mehr ausÂreiÂchend bereitÂgeÂstellt werÂden könnten.
Mit dem demoÂgraÂfiÂschen WanÂdel komÂmen im nächsÂten JahrÂzehnt die KohorÂten der BabyÂbooÂmer in das (vor-)rentenbezugsfähige Alter, was dazu führt, dass im ÖffentÂliÂchen Dienst, aber auch in allen andeÂren BranÂchen die ErsatzÂreÂkruÂtieÂrungsÂzahÂlen bei ausÂscheiÂdenÂden TechÂniÂkern und TechÂniÂkeÂrinÂnen ansteiÂgen werden.
Zugleich entÂsteht im ZusamÂmenÂhang mit der allerÂorÂten beklagÂten MINT-Lücke, also einer unzuÂreiÂchenÂden AusÂbilÂdungsÂbeÂreitÂschaft von PerÂsoÂnen nach dem SchulÂabÂgang in den naturÂwisÂsencsÂhaftÂlichÂtechÂniÂschen BerufsÂausÂbilÂdungsÂgänÂgen, im ÖffentÂliÂchen Dienst bei den TechÂniÂkern und TechÂniÂkeÂrinÂnen eine RekruÂtieÂrungsÂlüÂcke, die sich durch die ArbeitsÂmarktÂkonÂkurÂrenz mit der freiÂen WirtÂschaft verÂschärft. Der ÖffentÂliÂche Dienst zeichÂnet sich bekanntÂlich durch eine in der Regel gerinÂgeÂre GraÂtiÂfiÂkaÂtiÂonsÂstrukÂtur und einen damit verÂbunÂdeÂnen ArbeitsÂmarktÂnachÂteil gegenÂüber der freiÂen WirtÂschaft aus, wo höheÂre GraÂtiÂfiÂkaÂtioÂnen gewährt werÂden (könÂnen) (vgl. DribÂbusch et al. 2014, S. 9).
Dies zeigt der kürzÂlich vom WirtÂschafts- und SoziÂalÂwisÂsenÂschaftÂliÂchen InstiÂtut DüsÂselÂdorf (WSI) vorÂgeÂstellÂte LohnÂspieÂgel: WähÂrend der DurchÂschnittsÂverÂdienst in allen TechÂniÂkerÂberuÂfen 3.750 Euro pro Monat beträgt, liegt er in der Rubrik »ÖffentÂliÂche VerÂwalÂtung, VerÂteiÂdiÂgung, SoziÂalÂverÂsiÂcheÂrung« bei ledigÂlich 3.300 Euro. Zu den SpitÂzenÂverÂdieÂnern aus den exportÂstarÂken BranÂchen wie CheÂmieÂinÂdusÂtrie (4.597 Euro), FahrÂzeugÂbau (4.259 Euro), MetallÂerzeuÂgung (4.185 Euro), EnerÂgie- und WasÂserÂverÂsorÂgung, EntÂsorÂgung, RecyÂcling (4.041 Euro) oder MaschiÂnenÂbau (3.985 Euro) ist der GehaltsÂabÂstand noch gröÂßer (DribÂbusch et al. 2014, S. 9).
Es hat sich im LauÂfe der hier dokuÂmenÂtierÂten empiÂriÂschen UnterÂsuÂchunÂgen gezeigt, dass dieÂses GehaltsÂgeÂfälÂle nicht nur einen numeÂriÂschen, staÂtisÂtiÂschen AbstandsÂwert anzeigt, sonÂdern durchÂaus auch sehr konÂkreÂte ImpliÂkaÂtioÂnen für die RekruÂtieÂrungsÂsiÂtuaÂtiÂon und die tägÂliÂche Arbeit im ÖffentÂliÂchen Dienst mit sich bringt.
In dem vorÂlieÂgenÂden Working Paper werÂden die wichÂtigsÂten BefunÂde und ErgebÂnisÂse der von der Hans-BöckÂler-StifÂtung geförÂderÂten KurzÂstuÂdie zur exemÂplaÂriÂschen BestandsÂaufÂnahÂme der EinÂsatzÂfelÂder, BerufsÂbilÂder, besonÂdeÂren ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen sowie RekruÂtieÂrungsÂbeÂsonÂderÂheiÂten von TechÂniÂkern und TechÂniÂkeÂrinÂnen im ÖffentÂliÂchen Dienst darÂgeÂstellt. … «
Zum DownÂload der Hans-BöckÂler-StifÂtung Studie
»BerufsÂbild staatÂlich geprüfÂter Techniker/innen im öffentÂliÂchen Dienst«
ReiÂhe: ForÂschungsÂförÂdeÂrung Working Paper, Nr. 20.
DüsÂselÂdorf: 2016, ISSN: 2509–2359. 44 Seiten
AusÂzug aus der Studie
Nov. 2016, VerÂfasÂser: Peter SchühÂly, 1. VorÂsitÂzenÂder des VerÂeins der TechÂniÂker e.V., www.v‑dt.de
In dem vorÂlieÂgenÂden Working Paper sind die zenÂtraÂlen BefunÂde der empiÂriÂschen ErheÂbunÂgen und InterÂviews mit staatÂlich geprüfÂten Technikern/ TechÂniÂkeÂrinÂnen zusamÂmenÂgeÂfasst, die schwerÂpunktÂmäÂßig im Sommer/Herbst 2015 stattÂgeÂfunÂden haben. Im RahÂmen der von der Hans-BöckÂler-StifÂtung finanÂzierÂten KurzÂstuÂdie konnÂte naturÂgeÂmäß nur ein ersÂter EinÂblick und kurÂzer ÃœberÂblick über das BerufsÂfeld von Technikern/ TechÂniÂkeÂrinÂnen im ÖffentÂliÂchen Dienst vorÂgeÂnomÂmen werÂden. Das hängt auch mit der in 2.1 im EinÂzelÂnen beschrieÂbeÂnen VielÂzahl an TechÂniÂkerÂabÂschlüsÂsen zusammen.
Die für die KenntÂnisÂse über die EinÂsatzÂfelÂder von Technikern/ TechÂniÂkeÂrinÂnen im ForÂschungsÂanÂtrag diaÂgnosÂtiÂzierÂte ForÂschungsÂlüÂcke konnÂte hier desÂhalb aufÂgrund der eng begrenzÂten ProÂjektÂmitÂtel nur ansatzÂweiÂse geschlosÂsen werÂden. UngeÂachÂtet dieÂser UnterÂsuÂchungsÂsiÂtuaÂtiÂon und der notÂwenÂdiÂgerÂweiÂse vorÂläuÂfiÂgen ErgebÂnisÂdarÂstelÂlung hat sich eine ReiÂhe von AusÂgangsÂhyÂpoÂtheÂsen bestäÂtigt, mit denen wir mit unseÂren offeÂnen FraÂgeÂleitÂfäÂden ins Feld geganÂgen sind. Auf einen Blick lasÂsen sich die HauptÂerÂgebÂnisÂse in folÂgenÂden KurzÂbeÂfunÂden zusammenfassen:
- Die groÂße BandÂbreiÂte von TechÂniÂkerÂabÂschlüsÂsen erlaubt überÂall in den öffentÂliÂchen VerÂwalÂtunÂgen den EinÂsatz von TechÂniÂkern und Technikerinnen.
- Der TechÂniÂkerÂabÂschluss wird in den weit überÂwieÂgenÂden FälÂlen von den indiÂviÂduÂelÂlen FachÂkräfÂten auf eigeÂne KosÂten und in der eigeÂnen FreiÂzeit bzw. berufsÂbeÂgleiÂtend erworben.
- BestimmÂte PosiÂtioÂnen im (gehoÂbeÂnen) ÖffentÂliÂchen Dienst könÂnen sowohl IngeÂnieuÂre / IngeÂnieuÂrinÂnen als auch erfahÂreÂne TechÂniÂker / TechÂniÂkeÂrinÂnen mit Berufs- und „BetriebsÂerÂfahÂrung“ besetzen.
- Der EinÂkomÂmensÂabÂstand des ÖffentÂliÂchen DiensÂtes zur freiÂen WirtÂschaft wird (in den meisÂten FälÂlen) komÂpenÂsiert durch gute ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen, gutes BetriebsÂkliÂma, teilÂweiÂse besÂseÂre Work-Life BalanÂce und die AusÂhanÂdelÂbarÂkeit von ArbeitsÂzeitÂreÂgeÂlunÂgen, die auf indiÂviÂduÂelÂle PräÂfeÂrenÂzen RückÂsicht nehmen.
- TechÂniÂker und TechÂniÂkeÂrinÂnen selbst sehen sich in einer BinÂdeÂgliedÂfunkÂtiÂon zwiÂschen Ingenieuren/Ingenieurinnen bzw. PlaÂnungsÂstäÂben in der VerÂwalÂtung und den gewerbÂliÂchen Mitarbeiter/innen und Bürger/innen bzw. ausÂfühÂrenÂden, exterÂnen Auftragnehmern.
- Mit dieÂser BinÂdeÂgliedÂfunkÂtiÂon ist aber keiÂne grundÂsätzÂlich konÂfliktÂgeÂlaÂdeÂne und psyÂchisch stänÂdig belasÂtenÂde ArbeitsÂsiÂtuaÂtiÂon gegeÂben. Das BerufsÂproÂfil und die BerufsÂerÂfahÂrung erlauÂben den TechÂniÂkern und TechÂniÂkeÂrinÂnen mit aufÂtreÂtenÂden KonÂflikÂten proÂdukÂtiv umzugehen.
- SchuÂlung und WeiÂterÂbilÂdung wird im ÖffentÂliÂchen Dienst großgeschrieben.
- Das größÂte ProÂblem der PerÂsoÂnalÂpoÂliÂtik im ÖffentÂliÂchen Dienst sind die starÂren StelÂlenÂpläÂne, die in den letzÂten JahÂren durch HausÂhaltsÂsaÂnieÂrunÂgen bzw. ‑einÂspaÂrunÂgen stark begrenzt oder gekürzt wurden.
- Auch auf eine quanÂtiÂtaÂtiÂve ZunahÂme der zu verÂtreÂtenÂden BevölÂkeÂrung oder die ZuweiÂsung von zusätzÂliÂchen AufÂgaÂben kann nicht oder nicht kurzÂfrisÂtig durch PerÂsoÂnalÂaufÂstoÂckunÂgen reagiert werÂden. VorÂausÂgeÂsetzt sind oftÂmals langÂwieÂriÂge demoÂkraÂtiÂsche Entscheidungsverfahren.
- Ein weiÂteÂres graÂvieÂrenÂdes ProÂblem ist der WisÂsensÂabÂfluss und KnowÂhow-VerÂlust, der mit jedem RenÂtenÂabÂgang verÂbunÂden ist und der aufÂgrund der in den letzÂten beiÂden BefunÂden festÂgeÂstellÂten RestrikÂtioÂnen nicht durch eine überÂlapÂpenÂde BesetÂzung von (vom Abgang betrofÂfeÂnen) PosiÂtioÂnen verÂmieÂden werÂden kann.
- Die zuletzt genannÂten perÂsoÂnalÂpoÂliÂtiÂschen ProÂbleÂme werÂden sich in den nächsÂten JahÂren mit dem demoÂgraÂfiÂschen WanÂdel und den zunehÂmend älter werÂdenÂden BelegÂschafÂten, den mit den BabyÂbooÂmern ebenÂfalls booÂmenÂden RenÂtenÂabÂgänÂgen und der gleichÂzeiÂtiÂgen VerÂknapÂpung von FachÂkräfÂten, Techniker/innen und Ingenieur/innen zuspitzen.
- Sofern es dem ÖffentÂliÂchen Dienst nicht gelingt, durch eine neue, vorÂausÂschauÂenÂde PerÂsoÂnalÂpoÂliÂtik dieÂse quanÂtiÂtaÂtiÂven und quaÂliÂtaÂtiÂven AbflüsÂse durch minÂdesÂtens gleich groÂße und quaÂliÂfiÂzierÂte RekruÂtieÂrunÂgen zu verÂkrafÂten, ist mit EinÂbuÂßen in der für die BürÂger und BürÂgeÂrinÂnen wesentÂliÂchen KonÂtrollÂfunkÂtiÂon der VerÂwalÂtung und DaseinsÂvorÂsorÂge für die BevölÂkeÂrung zu rechnen.
- Es wäre infolÂgeÂdesÂsen wünÂschensÂwert, wenn sich die öffentÂliÂchen VerÂwalÂtunÂgen bzw. die ihnen vorÂgeÂlaÂgerÂten LegisÂlaÂtiÂven präÂvenÂtiv dieÂser perÂsoÂnalÂpoÂliÂtiÂschen ZukunftsÂszeÂnaÂriÂen annehÂmen würÂden, die ja kaum mit ProÂgnoÂseÂunÂsiÂcherÂheiÂten behafÂtet sind. Eine unterÂstütÂzenÂde RolÂle könnÂte einer weiÂterÂgeÂhenÂden ErforÂschung erfolgÂreiÂcher perÂsoÂnalÂpoÂliÂtiÂscher StraÂteÂgien zur RekruÂtieÂrung und BinÂdung von techÂniÂschen FachÂkräfÂten im ÖffentÂliÂchen Dienst (auch im VerÂgleich mit der freiÂen WirtÂschaft) zu kommen.